Montag, 15. August 2011

Rio de la Plata

Liegt Buenos Aires jetzt an einer Meeresbucht oder an einer Flußmündung? So genau weiß man das nicht. Stefan Zweig schrieb in seiner Magellan Biografie „hier dehnt sich endlos das weite Wasser und man kann kein anderes Ufer mehr wahrnehmen“. Die Spanier nannten ihn Silberfluß weil sie dachten sie kämen über ihn an die Silberschätze in Peru. Er ist der gemeinsame Mündungstrichter des Rio Uruguay und des Rio Parana. In Buenos Aires ist er noch süß, dann wird er salzig und weder die Hochwasser der Flüsse noch die Gezeiten verändern den Wasserstand wesentlich. Am Zusammenfluß ist er 50 km breit am Übergang in den Atlantik (jetzt bin ich vom Pazifik zum Atlantik der Heimat schon ein Stück näher gekommen) immerhin 220 km. Der Hafen in Buenos Aires hat wie überall sein Gesicht verändert. Die alten Brücken sind neuen gewichen, die alte steht noch als Denkmal und eine Frauenbrücke wurde Tangomäßig schwungvoll über das Hafenbecken gebaut. Die fehlenden Frauen Straßen Namen wurden hier nachgeholt. In die alten Lagerhallen sind schmucke Lofts eingebaut worden und schöne Restaurants zum Wasser hin. Bevorzugt Italiener, weil die traditionell im Hafen ansässig waren. Buenos Aires hat 3 Millionen Stadteinwohner aber im Großraum sind es 13 Millionen und die verteilen sich den Rio de la Plata entlang bis zur Kleinstadt Tigre die 30 km entfernt ist und am Delta des Paranas liegt. Als reizvolle Zugfahrt dorthin wird der Tren de la Costa beschrieben. Im Morgengrauen entlädt sich ein tosendes Gewitter und nach nochmal einem kleinen Schläfchen ist der Himmel immer noch grau verhangen und es regnet leicht mit abwechselnden Schauern. Nicht gerade das ideale Wetter für einen Ausflug ans Wasser. Der alte schöne nur noch für Nahverkehr genutzte Bahnhof Retiro ist die Abfahrt des Zuges. Von wegen „Costa“ der Zug schlängelt sich an uralten, nun vergammelnden Hafenanlagen durch arme Vororte. In der Station Bartholome Mitre ist erst mal Ende und über eine Brücke geht es weiter mit dem „neuen“ alten Zug. Kleine gleich aussehende Bahnhöfe –so Jahrhundertwende Stil – werden durchfahren und der Rio de la Plata wird tatsächlich sichtbar. Die erste Strecke kostete 20 Cent, die Strecke danach 2,40 Euro (siehe Südamerika Nachlese). Die Häuser entlang der Strecke werden schnuckeliger, größer, gepflegter und an den Hängen sind auch Elbchaussee Villen zu sehen. An Baustilen ist alles vertreten was es irgendwo schon gibt. Sylter Reetdach, Schwarzwälder Häuschen, fränkisches Fachwerk, Toskana Stil, Südstaaten Säulenhäuser oder auch modernste Bauhaus Glasbetonkreationen. Türmchen sind sehr beliebt. Tigre wird erreicht und ab hier sollen die Schiffe ins Delta abfahren. Es ist trüb und grau wie an einem Novembertag und es schüttet. Was mich erwartet haut mich um. Es ist sowas wie Königssee. Jetzt leere Riesenparkplätze. Ein Freizeitpark a la Rust mit einem riesigen Spielcasino und anderen Attraktionen wie Matemuseum, Kunsthandwerker-, und Fruchtmarkt, die Bungalowanlage Alpenhof ist an einem Freitag bei Regen auch nicht gerade der Hit. Die Fahrt ins Delta schenke ich mir. Aber, daß bisher aus Naturschutz verweigert worden ist, die längst fällige Brücken nach Uruguay rüber zu bauen gefällt mir, es muß also doch noch Natur geben.
Essen ist das Einzigste was noch geht aber auch das sehr beschränkt an Auswahl. Ohne Fleisch hier zu essen ist nicht einfach und das Fischangebot obwohl am Süß- und Salzwasser eher klein. Die Fleischportionen sind Berge und die guten alten Zeiten als die Rindviecher noch verwildert auf endlosen Weiden langsam das gute Fleisch ansetzten sind vorbei. Heute werden die Tiere in Pferchen gehalten und mit Soja wird schnell das schlachtreife Gewicht angefuttert. Argentinien ist das drittgrößte Sojaanbaugebiet der Welt und die Anbaumethoden (meine Informanten: Greenpeace) sind kriminell. Soja wird auf immensen Flächen ausgebracht ohne zu pflügen (spart einen Arbeitsschritt) und vorher mit Pestiziden Unkrautfrei gespritzt. Das ausgesäte Gen Soja ist dem so malträtiertem Boden angepasst. Mahlzeit!
Im Umsteigebahnhof Mitre sind viele nette Antiquitätenläden und an den Wochenenden sind dann hier auch Flohmärkte. Bestimmt nett für den Sonntagsausflug mit Familie!
Aber zwei tolle Kunstmuseen gibt es zu bewundern. Ein klassisches (Museo Nacionales de Bellas Artes) mit Bildern alter Meister und einem Querschnitt bis zur Moderne mit wirklich guten ausgesuchten Stücken in einem schönen ochsenblutrotem historischen Säulengebäude. Und ein Museum lateinamerikanischer Kunst Museo de Arte Latinamericano de Buenos Aires kurz „Malba“ in einem neuen interessanten Kunstwerk Gebäude. Auch die schlichte Inneneinrichtung ist gelungen. Von einer Bank mit Holzlatten ranken die Latten wie eine Schlingpflanze durch das ganze Treppenhaus und man darf sich auf das Kunstwerk setzen. Diego Riviera gleich im Eingangsbereich, seine Frau Frida Kahlo weiter in der Ausstellung und einige Künstler die durchaus auch in Europa einen guten Namen haben. (Wilfredo Lam, Grete Stern usw) Die lange Nacht der Museen wurde von der Partnerstadt Berlin übernommen.

Antiquitäten im Bahnhof Bartholome Mitre

das Delta des Paranas

schicke Lofts im alten Hafenspeicher

1 Kommentar:

  1. Der Retiro, der Umsteigebahnhof Mitre, alles erinnert mich an meine Kindheit. Wir wohnten in Olivos, nah am Borges Bahnhof, dass waren noch 2 Stationen nach Mitre, schon am Anfang der schoenen Villengegend aber noch nicht zu protzig.
    Ich fand auf meiner letzten Reise auch das "Malba" Museum besonders gelungen.

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