Samstag, 6. August 2011

Calama

Mein Krankheit hat mich vor Schlimmerem bewahrt, hab wieder mal Schwein gehabt. Ich habe immer die gleichen Reisenden getroffen und eine solange Verweildauer ist doch ungewöhnlich. Bei Nachfragen stellte sich heraus, daß alle Päße dicht sind, der Bolivien Trip irgendwo stecken geblieben ist und im Augenblick nichts nach Bolivien und Argentinien geht. Es hat ausnahmsweise sogar in Santiago geschneit, was die Fußballbegeisterten am Fernseher mit bekommen haben, denn es läuft gerade ein Südamerika Cup. Ein mieses Refugio auf 5.500 Meter und Schneesturm muß ich bei aller Abenteuerlust nicht haben. Und den Flug zu buchen und nicht den Bus nach Argentinien zu nehmen war goldrichtig.
Um den unfreiwilligen Aufenthalt nicht noch länger zu machen schau ich mir noch Calama an. Der Bus hat eine Stunde Verspätung, gut, daß ich nicht gleich zum Flughafen muß. Ein Taxi bringt mich in ein richtiges Hotel das angeblich Heizung hat.
Hier zitiere ich frei meinen Lonely Planet Reiseführer der ein Problem hat es gelinde auszudrücken: Calama is a shithole. Diese Oase in der Wüste am Fluß Loa ist mit der größten Kupfermine weltweit der ertragreiche chilenische Devisenbringer schlechthin. Viele Arbeiter (die ich am Schiff oder im Bus) getroffen habe, arbeiten hier leben aber mit ihren Familien woanders, sind Freizeit Heimfahrer. Die Stadt bemüht sich nun auch als Wohnort attraktiv zu werden. Es gibt ein neues Casino mit allen Schikanen eine neue Einkaufs Mall (Geld wird ja gut verdient) einen Flughafen und für Zuzügler attraktive Wohnungen. Wie z.B für die Bewohner von Chuquicamata die wegen der Minenvergrößerung umgesiedelt wurden. Wie bei uns an Stauseen z.B. das Örtchen Fall das im Sylvensteinspeicher versunken ist. Schmucke Reihenhäuschen in Bonbonfarben (den Grauschleier kriegt man hier nicht raus) mit Carport dazwischen. Auch ein Erholungspark am nicht sehr einladenden Flüßchen Loa steht zur Verfügung. Beschattete Sitzplätze um Grillplätze werden rege auch am Donnerstag benutzt.  Nicht die Erholung läßt mich dorthin fahren sondern ein Museo. Alles verriegelt, innen brennt Licht ich höre Musik aber niemand da. Nach langem herumrennen, fragen kommt ein nettes Mädel und ich muß als Entschuldigung keinen Eintritt zahlen. Das Museum ist gut, informativ über Wüste und Geologie. Auch über die - hier in Chile - fast ausgestorbenen Tierarten wird ausführlich berichtet. Wieviele Staatswappen zeigen ein Tier das „fast“ oder ausgestorben (NZ Kiwi) ist? Hier ist es eine besondere Hirschart und die Anstrengungen die unternommen werden sind immens. Aber den vielen nicht Wappen zierenden Arten geht es noch schlechter. Alleine drei Katzenarten sind hier bedroht (Zenaida nimm dich doch einer an?).
Eine kleine geschäftige Fußgängerzone mit Theater, eine „offene“ Kirche an der Plaza mit Musikberieselung, schöne Graffiti an offiziellen Gebäuden, große alte Molle (Pfefferbäume). Skulpturen die Minenarbeiter in Machopose mit Bohrhammer zeigen. Ein gemischter Markt mit Tierhandlungen und zu den vielen scheißenden wild rumlaufenden Straßenkötern (ich mag Hunde, aber wenn man dauernd den Haufen ausweichen muß und trotzdem manchmal reintritt) können auch noch niedliche gut gekleidete Schoßhündchen gekauft werden. Auch die Auswahl an bunten Vögeln ist riesig. Für die „christlichen Tanzgruppen“ gibt es Zubehör Läden.  Schellen, goldene Litzen, Masken usw. und Karnevalskostüme. Über proportional vertreten sind Metzger mit riesigen Fleischbergen und das übliche an Früchten, Leguminosen, Gemüsen und Kräutern. Märkte sind einfach immer schön. Mein Jugo Favorit: Naranja/Betarava (Orange mit roten Rüben) Dracula geeignet.
Beerdigungen kündigen sich durch ein Hupkonzert an, der weiße Leichenwagen fährt ganz langsam (auch auf der Autobahn) vorneweg und die Trauergäste mit eingeschalteten Warnblinkern hupend hinterdrein. In Calama muß es wohl ein Carabinieri gewesen sein, denn an einer Polizeistation standen die Kollegen salutierend auf der Straße.
Vor über 50 Jahren machten hier auf ihrer legendären Motorradfahrt durch Südamerika (Tagebuch überliefert) Alberto Granada und der junge Medizinstudent Ernesto „Che“ Guevara Station. Auch die Minenarbeiter von Chuquicamata versuchte er mit seinen Ideen zu indoktrinieren. Was dazu führte daß der arrogante blonde Gringo Manager (damals die amerikanische Anaconda) ihm deutlich machte, daß es hier keine Touristenstadt ist. Durch Flughafen und die Nähe zu San Pedro beschert es ironischer weise der Stadt heute 50.000 Touristen pro Jahr. Er schrieb damals ungefähr so: „hier leben die Armen, unbesungenen Helden der Schlacht um die Schätze der Natur zu entreißen und wollen doch nur ihr täglich Brot verdienen“






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