Montag, 15. August 2011

Kultur

Zwei sehr unterschiedliche kulturelle Abende in Buenos Aires.
Abend Nummer 1
Eine gängige Cena (Abendessen) Show aus Tango und Milonga, klassischer Volksmusik a la Platzl gebucht. Die Abholung funktioniert nicht und so werde ich mit einem Voucher ausgerüstet zu einem bestimmten Taxi geschickt. Sabor a Tango in einem Jahrhundertwende Saal der Art Deutsches Museum und nett gedeckten Tischen mit silbernen Platztellern und weißen Hussen über den Stühlen. Das Menü ist in spanisch, portugiesisch (die größte Besucheranzahl), französisch und englisch. Die internationale Vorspeise Caprese! Und natürlich Fleisch in großen Mengen und leckerer Nachtisch. Auch Getränke sind frei und so wird eifrig konsumiert. Was alles durcheinander getrunken wird an Bier, Wein, Cola, Fanta. Die Künstler stellen sich zur Verfügung mit den Besuchern in Tangoposition für ein Foto zu posieren. Ist alleine schon die Show wert. Boa um den Hals geschmissen und das angewinkelte hochgehobene Bein um den Partner geschlungen und in die Kamera gelächelt. Nachdem alle abgefüttert sind geht die Show los. Ein kleines Orchester aus Flügel, Bassgeige. Violinen und Bandoneons. Eine kleine diatonische Ziehharmonika vom Krefelder Hans Band 1845 erfunden, die über das Knie gezogen (auf schöner samtiger Unterlage) gespielt wird und diesen unverwechselbaren Klang gibt. Fetzige Musik und akrobatischer Tanz, mit freizügigen, sehr attraktiven Kostümen über Netzstrümpfen bei den Damen und den engen Nadelstreifen Zweireiher bei den Herren. Der Tango stammt aus den armen Vierteln wie La Boca am Hafen , rüde Texte im Slang Lunfardo, anrüchige Bewegungen passten zu dem Bordellmilieu. Einer der berühmtesten Dichter sagte der Tango ist „ein trauriger Gedanke den man auch tanzen kann“. Im eigenen Land proletenhaft abgetan wurde er erst nach dem stürmischem Erfolg bei einem Tanzturnier 1907 in Paris auch am Rio de la Plata gesellschaftlich integriert. Die sexuellen Anspielungen wurden weniger und die Top Musiker ihrer Zeit wie Carlos Gardel waren die Helden. Auch heute noch aktuell wie eh und je, läßt kein südamerikanischer Musiker egal welcher Richtung die Klänge aus. Schöne Stimmen und Lieder, auch die indogene Musik mit (Pan) Flöten aller Art wird geboten. Der Evita Song darf nicht fehlen und virtuose Vorführung des Bandoneons. Dazwischen Trommeldarbietungen und artistisches schleudern von Kugeln an der Schnur, ich hab keine Ahnung wie die Dinger heißen. Dazwischen immer wieder Tango in verschiedenen Kostümen. Wirklich gut gemacht, der Transport zurück funktioniert reibungslos. Es durfte nicht fotografiert werden, sondern eine DVD gekauft.

Abend 2
Das Teatro Colon, hat die „angeblich“ beste Opernhaus Akustik der Welt! Aber das größte mit 3542 Sitz- und 700 Stehplätzen ist es allemal. 1908 eingeweiht, der Stil ein Mix aus französischem Empire und italienischer Renaissance mit europäischem Marmor, viel Stuck und rotem Samt war es das Glanzstück des wirtschaftlich erfolgreichen Argentiniens. Die Einwanderer die den Aufschwung mit hervorgebracht hatten wollten sich wie gewohnt amüsieren. Jede Stimme mit Namen hat hier gesungen und nach gründlicher Renovierung und Modernisierung ist es wieder geöffnet. Es gibt Führungen im Haus und mein Reiseführer meinte wenn man die passende Abendgarderobe dabei hat kann man sich auch um ein Ticket bemühen. Das Billigste ist immer noch für1,60 Euro zu haben. Nachdem ich mal bei den Münchner Opernfestspielen Overdressed war, mache ich mir darum keine Gedanken und das war auch nicht nötig. Das aufgebrezelte ist out, außer vielleicht in Bayreuth, dafür finde „ich“ da die Akustik fantastisch. Aber ich bin ja kein Experte. Der hier als Kind emigrierter russischer Juden geborene Daniel Barenboim ist ja in Berlin Chefdirigent (Kathrin erinnerst du dich an das Konzert?) und sehr löblich wohl mehr mit seinem jüdisch/palästinensischem Jugendorchester unterwegs. Hier ist der Pole Antoni Wit Direktor und gerade ist eine Konzertreihe und das 8. Konzert hat genau in meinen Terminkalender gepaßt. Franz Liszt Mazeppa (Ivan Mazeppa nach Puschkin, Byron und Hugo), Camille Saint Saens Konzert Nummer 5 „Egipcio“ (der reisebegeisterte schrieb Teile in Luxor) für Piano mit dem Franzosen Pascal Roge und der mir unbekannte, jung gestorbene polnische Komponist Karol Szymanowski der in Deutschland unter anderem bei Reger studiert hat. Ein gelungenes Konzert mit großem Orchester, edel vom Balkon aus gehört, durch das schöne Haus geschlendert und die Büsten der Komponisten und die ausgestellten Kostüme bewundert. Kein Champagner in der Pause – wo gibt’s denn sowas – und zwei Violinistinnen brachten ihre Handtaschen mit auf die Bühne und haben sie über die Lehne gehängt. Das machte meine englisch sprechenden Nachbarn fassungslos, ich hab das allerdings auch noch nicht erlebt.

Auf dem Nachhauseweg: Tango wird auch in der Fußgängerzone getanzt. Matten ausgelegt, Musik vom Band und Passanten dürfen auch mal mit tanzen. Den Sonntag erlebe ich hier nicht mehr wo an vielen Plätzen der Tango tobt.


Theater Colon

Treppenhaus

Wagner

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